Das Jugendcamp Teil 1

Ich wollte eigentlich nicht auf zu diesem Jugendcamping. Irgendwie erschien mir das langweilig. Aber die Jungs aus dem Fußballverein hatten mich gebeten, mitzukommen, und auch meine Eltern und mein älterer Bruder rieten mir zu. Aufseufzend meldete ich mich an.
Am Tag vor der Abfahrt nahm mich mein älterer Bruder zur Seite, und erzählte mir etwas, was er bis dahin für sich behalten hatte.
„Richard, das ist echt der Wahnsinn da.

 

jugendcamp

Alle die Jungs und Mädchen, wir hatten echt unseren Spaß. Wir standen spät auf, feierten die Nächte durch. Und dann suchten sich die Fußballer und die Anführer der Mädchen einen Jungen und ein Mädchen aus. Die wurden dann zu einer kleinen Insel im Fluss gebracht und in einen kleinen Schuppen eingesperrt. Das waren natürlich gewöhnlich die schüchternen k**s, die wir so verkuppeln wollten. ‚Die Opfer’ haben wir sie genannt.“
Ich sah ihn erstaunt an, ließ meine Finger durch meine blonden Haare gleiten.
„Opfer? Ihr habt sie ‚Die Opfer’ genannt?“
Mein Bruder zuckte die Achseln und lachte. Er versuchte es zu unterdrücken, aber vergeblich. Ich mochte es nicht, sein Lachen, und bedauerte dieses arme, schüchterne Pärchen, das in einen Schuppen eingesperrt würde.
„Das war nicht unsere Erfindung. Das war schon eine Tradition vor uns. Kann sein, sie machen es jetzt nicht mehr weil Eltern sauer geworden sind oder was sonst noch. Die Leute sollten nicht so verklemmt sein. Wir waren doch nur Jungs und Mädchen, die ihren Spaß haben wollten.“
Das letzte nahm ich ihm ab. Ich hatte niemals von dieser Tradition gehört. Auf keinen Fall würden meine Freunde so etwas Grausames und Dummes tun und zwei unbeliebte, schüchterne k**s zusammen in einen Schuppen sperren. Ganz sicher hatte sich diese Sache tot gelaufen.
Mittags luden uns die Busse auf dem Camp-Gelände ab, eine Menge plappernder Teenager. Sollten die Ausschweifungen, das Luderleben nun beginnen. Einige hatten Alkohol, Hasch, irgendwelche Pillen und Kondome mitgebracht, und sie waren entschlossen, das alles zu benutzen, bevor uns die Busse in drei Tagen wieder abholten. Die Begleiter waren in der Minderheit, unterlegen und erschöpft. Es endete damit, dass sie alle sich an einem Tisch versammelten und die Hände in den Schoß legten. Die Zelte lagen auf einem großen Stapel am Waldrand und warteten darauf, von viel Leuten vor Sonnenuntergang aufgebaut und bewohnt zu werden.
Der Platz war lang und schmal, breit, wie ein Fußballfeld, aber bestimmt lang wie sechs von ihnen und hügeliger. Er erstreckte sich von einer Schotterstraße bis zu einem Fluss an anderen Ende, und war umrahmt von dichten Fichten. Ich ging zu einem der Hügel, um mich umzusehen. Ein paar eifrige Jungs waren dabei, ihr Zelt aufzubauen. Manche zogen schon ihre Klamotten aus, um in Badeanzüge oder Badehosen zu schlüpfen. Am Fluss badeten einige ihre Beine. Das Wasser schien nur hüfthoch zu sein. Hinten spielten andere Fußball, Mädchen warfen sich Bälle zu. Einige hatten Ghettoblaster mitgebracht, um die sich tanzende Gruppen bildeten. Vor dem Kochzelt dampfte schon irgendein Eintopf.
Ich lächelte zufrieden. Das war hier nicht so langweilig, wie ich erwartet hatte. Ich streifte mir mein T-Shirt ab um die Sonne auf meinem Rücken zu fühlen. Ein Mädchen im Bikini ging vorbei und stolperte fast, weil sie auf meine Brust und wohl auch auf die Beule in meiner Hose starrte. Innerlich lachte ich laut, aber äußerlich lächelte ich und winkte ihr.
Am Nachmittag waren meine Bedenken verschwunden und ich begann, Vergnügen zu haben. Ich spielte eine Stunde lang Fußball mit einer Gruppe Jungs, dann kam schon das Abendessen. Als die Sonne gerade die Wipfel der Fichten berührte, schlüpfte ich in meine Badehose und zog mir die Sportschuhe aus. Ich fühlte mich heiß, verschwitzt und klebrig. Jetzt waren deutlich weniger Leute am Fluss, und die Aufseher saßen beim Essen. Ich suchte mir einen Weg durch einen Irrgarten von Badehandtüchern, einige mit halbnackten Sonnenanbetern darauf, und betrat den schmalen, sandigen Uferstreifen, Ich sah flussabwärts, erkannte die kleine Insel. Ich erinnerte mich an die Erzählung meines Bruders, aber ich sah nirgendwo eine Hütte. Wahrscheinlich war sie in der Zwischenzeit abgerissen worden.
Ich watete durchs Wasser. Da war doch eine Aufsicht, die mir zuwinkte, und wohl aufpassen musste, dass niemand im Fluss ertrank. Ich war am tiefsten Punkt in diesem Abschnitt. Meine Füße sanken in weichen, kalten Schlamm und irgendwelche Algen schlangen sich um meine Waden und Knie. Das Wasser reichte mir bis in die Mitte zwischen Nabel und Brustwarzen. Ich tauchte unter, keuchte auf, weil es sich so gut anfühlte.
Ich beschloss, beim Zeltaufbau mitzuhelfen. Die Zeltbesatzung bestand aus mir, zwei Jungs aus dem Fußballclub und einem Basketball-Spieler. Sie wollten die ganze Nacht aufbleiben, und wenn sie müde geworden wären, wären sie sicher zu betrunken gewesen, um das Zelt aufzubauen. Nach meinem Wissen, hatten Leon, Ole und Tom, jeder von ihnen, irgendein Gesöff mitgebracht. Ich sah auf den Boden, um nicht über die Handtücher zu latschen oder mir Mädchen zusammen zu stoßen, als ich mit dem Kopf voran in Benjamin lief. Ich war einen Kopf größer als er, und während ich nur kurz stolperte, fiel er zu Boden, genau auf ein liegendes Girl im roten Bikini.
Benjamin wurde knallrot vom Ansatz seiner sonnengebleichten Haare bis zum Halsausschnitt seines beuligen T-Shirts. Er bemühte sich, aufzustehen, murmelte eine Entschuldigung und war absolut erschrocken, als das Girl aufschreckt und ihn verfluchte. Ich war erstaunt über ihre Worte. Ich konnte mich an ihren Namen nicht erinnern, aber ich hatte sie süß und schüchtern in Erinnerung. Ich griff nach Benjamins Schulter und half ihm auf.
„Es war ein Unfall, nun krieg ‚ dich mal wieder ein“, wendete ich mich an das Mädchen.
„Sorry, Richard“, sagte sie kleinlaut und wurde rot, als Benjamin und ich weiter gingen, meine Hand immer noch auf seiner Schulter.
Ich ließ ihn los. Seine Haut war immer noch verlegen gerötet.
„Ent…entschuldige“, flüsterte er und spielte mit dem Saum seines Shirts. Er trug eine übergroße Hornbrille, die ihm gelegentlich von der Nase rutschte. Das Hemd reichte ihm bis fast zu den Knien, er trug diese beuligen Cargo-Hosen mit aufgerollten Hosenbeinen und Turnschule mit losen Sohlen. Ich erinnerte mich, dass er dasselbe Paar das ganze letzte Jahr getragen hatte, selbst im Winter bei Schnee. Wahrscheinlich waren sie noch nicht einmal neu, als er sie bekommen hatte.
„Du, kein Problem. Ich habe nicht geschaut, wohin ich gehe. Wo warst du eigentlich? Ich erinnere mich nicht, dich den ganzen Tag irgendwo gesehen zu haben.“
Ich wollte nett zu Benjamin sein, denn eigentlich war das nicht mein Umgang. Er hatte ein paar Freunde, meistens Mädchen, aber meistens war er ein Einzelgänger. Viele machten sich über ihn lustig, nicht wirklich gemein, aber es war eben eine fast endlose Folge von Schimpfwörtern, die sie ihm zuriefen. Sie zeigten ihm die kalte Schulter, kommentierten seine Klamotten, behaupteten, er sein schwul oder dass er ein Bettnässer war. Ich hatte da nicht mitgemacht, denn das war mir peinlich. Ich hatte nie etwas zu ihm gesagt, aber auch nicht verhindert, dass die anderen ihn mobbten. Deshalb fühlte ich mich plötzlich schuldig.
Benjamin sah mich an und rückte sich die Brille zurecht.
„Ich war im Wald lesen“, murmelte er.
Ich wartete auf mehr. Als nichts kam fragte ich ihn: „Welches Buch?“
Er zog eine zerknautschtes Paperback aus der Hosentasche und zeigte mir den Titel.
„Die Blechtrommel? Das habe ich auch gelesen.“
Dass ich es lesen musste wegen des bescheuerten Deutschlehrers verriet ich ihm natürlich nicht. Ein wirklich süßes Lächeln stand in seinem Gesicht.
„Du…du liest auch, Richard?“
Ich zuckte die Achseln.
„Nicht viel, aber ab und zu. Ich fühle mich jetzt ein bisschen beschämt, weil ich so selten lese.“
Er errötete noch ein wenig mehr, aber er wurde jetzt etwas lockerer. Das war schön, denn der arme Junge war immer so ein wenig verkniffen. Hier wenigstens sollte er mal Spaß haben.
Er steckte das Buch wieder in die Hosentasche, dann fragte er mich.
„Hmmm…sollen wir zusammen noch etwas reden und…“
Wir waren durch die Wiese gestapft, ich barfuß und tropfend, er komplett angezogen mit den Händen tief in den Taschen. Ich trug mein Hemd und mein Handtuch zusammengerollt unter dem Arm. Keiner von uns achtete auf die Umgebung, und wir fuhren erschreckt zusammen, als Tom, einer der Fußball-Jungs mich ansprang und manisch aus vollem Halse schrie. Wir rollten und rangen auf dem Boden. Tom war mein Freund seit der Grundschule. Wir waren nicht mehr so oft zusammen, als er eine Freundin hatte, aber mochten uns immer noch. Er hatte einen Beutel mit Haschisch in der Hand, den er mit den anderen teilen wollte, wenn es dunkel geworden war.
Wir standen lachend auf. Ich sah hinüber zu Benjamin uns fühlte mich unmittelbar schuldig. Er war schon einige Schritte weg gegangen, biss sich auf die Lippen und wollte sich still verdrücken. Sehr einsam sah er jetzt aus. Ich hatte vergessen, dass Tom es liebte, Benjamin zu ärgern.
„He, Benny. Du musst jetzt nicht gehen. Wir können zusammen was essen.“
Ich befreite mich aus Toms Armen und der lachte.
„Ja, Benjamin. Du kriegst ein ganzes Butterbrot und brauchst es nicht mit deinen Dutzend Geschwistern und den Hunden zu teilen.“

Ich war jetzt wirklich geschockt. Tom hatte ihm in der Vergangenheit ziemliche Gemeinheiten zugerufen, aber das war jetzt zu viel. Ich gab ihm einen Stoß.
„Heee, Ruhe, Alter, Das ist nicht cool.“
Tom lachte immer noch. Mir wurde klar, dass meine Ermahnung vergeblich war. Ich wollte mit Benjamin sprechen, aber der lief schon mit gesenktem Kopf weg. Er war wohl wirklich außer Fassung.
„Richard, was machst du für ein Gesicht?“ spottete Tom. „Spielst hier den Gutmenschen und lässt dich von dem Kerl anmachen.“
Eine Sekunde lang kochte die Wut in mir hoch. Ich wusste nicht, ob ich ihm an die Kehle gehen sollte. Aber nach kurzer zeit war der Zorn verraucht. Ich fühlte mich erschöpft und angewidert. Was war mit Tom los? Was hatte Benjamin ihm getan? Ich hatte hier meinen Spaß, aber jetzt fühlte ich mich wie ein Scheißkerl. Tom begann zu begreifen.
„Heee, Alter. Tut mir leid. Ich habe grade im Wald mit Ole und Leon was getrunken, und du weißt, was für ein Kerl ich werden kann, wenn ich besoffen bin. Wir sind doch cool, Richy.“
Nein, wir waren nicht cool. Tom wollte nach dem Abitur in Aachen studieren, und ich in Münster. Ich musste seinen pubertären Bullshit also nur noch wenige Monate ertragen.
„Okay, b*o“, antwortete ich kurz und sah mich heimlich um, ob ich Benjamin entdecken konnte. Er saß allein am Waldrand. Er las nicht, er ruhte sich nicht aus, saß nur da und drehte mir den Rücken zu. Ich hatte ein schreckliches Gefühl im Magen, weil Tom ihn zum Weinen gebracht hatte. Das war mehr als armselig.
„Hee, Richy, hol’ dir was zum Knabbern und treff‘ uns am Fluss. Ich habe frist class Stoff und Ole hat eine Wasserpfeife mitgebracht. Wir werden so high sein, wie der Kölner Dom!“
Er dachte kurz nach.
„Wenn du Sabine oder Lore siehst, lade sie auch ein. Sie sind cool, und sie nehmen die Pille.“

Er lachte hämisch und ging in Richtung des Flusses. Ich sah zu Benjamin hinüber, und der drehte schnell sein Gesicht weg von mir. Es war so, als hätte er mich angestarrt und ich ihn dabei erwischt. Ich wollte mich gern bei ihm entschuldigen, aber am Ende kniff ich und ging zurück zu meinen Zeltgenossen. Dort sah ich noch einmal, wie er mich anstarrte. Er senkte sofort den Kopf, aber während dieser Zehntelsekunde des Blickkontakts fühlte ich, wie mein Schwanz zuckte. Das Blut schoss mir in die Wangen. Es war mir egal, dass offensichtlich alle m eine Freunde Arschlöcher waren. Bald würde ich ihnen nach dem Abi ‚Tschüss’ sagen, aber jetzt wollte ich so high werden wie in Toms Worten der Kölner Dom.

Ich rauchte keine Zigaretten wie viele von meinen Freunden. Ich rauchte auch nicht oft Hasch. Ich war erst einmal vorher high aus einer Wasserpfeife, und diesmal war der Rauch sanft in mich gezogen. Ich bekam einen ungeheuren Rausch, war high wie nie. Hoffentlich würde das Cannabis mich in eine freundlichere Stimmung versetzen. Im letzten Abendlicht standen wir im Kreis, als ob wir einen geheimen Ritus veranstalten wollten. Zwölf Jungs, die meisten aus dem Fußball-Verein und vier Mädchen reichten eine kleine Hookah mit nur einem Rohr herum. Ich roch den Pot gemischt mit etwas parfümiertem Tabak. Einige von ihnen waren schon massiv stoned, während andere noch auf den Hit warteten.

Benebelt. Ich war total weich geworden. Jeder Muskel meines Körpers fühlte sich so an, als wäre er in warmen Wasser eingeweicht und entspannt geworden. Ich wusste noch, dass ich auf Tom sauer war, aber das war jetzt weit weg. Eins der Mädchen, Sabine, weckte mein Interesse.
„Ja, ich wollte immer schon so ein Opfer werden. Meine Mutter hat nie etwas darüber erzählt, aber meine Tante war eins der Opfer und hat so meinen Onkel kennen gelernt. Krass, nicht?“
Nun schwante mir, dass die Opfer-Tradition immer noch nicht beendet war. Lore lachte lang und laut. Endlich konnte sie wieder sprechen.
„Wen suchen wir diesmal aus? Wie wäre es mit Tamara?“
Sabine schüttelte den Kopf: „Nein, die hat einen total eifersüchtigen Freund. Was ist mit dieser fetten Leonie?“
Vielleicht lag es daran, dass ich high war, aber nun sahen die zwei Weiber für mich wie Hyänen aus. Ein drittes Mädchen meldete sich.
„Wir können dieses Jahr kein Opfer auswählen, das wisst ihr doch! Das Mädchen letztes Jahr ist schwanger geworden, nun bewachen die Aufpasser die Mädchenzelte mit Adleraugen.“

Nun standen sie traurig da. Es war so deprimierend, dass sie nicht zwei unbeliebte k**s auswählen und sie dann nicht zusammen sperren konnten. Das benebelte Gefühl in mir verschwand zur Hälfte ins Nichts.
„Wo ist denn diese Hütte?“, fragte ich neugierig.
Ole kam aus den Büschen, schloss seine Gürtelschnalle, und ein kicherndes Mädchen lief hinter ihm.
„Mein Bruder hat es mir gezeigt. Sie ist ein paar hundert Meter flussabwärts. Es ist ein alter Betonbunker, niemand weiß, wozu er gebaut wurde. Aber er hat eine Stahltür und Gitter vor den Fenstern. Ich habe den Schlüssel dabei und nun können wir ihn nicht brauchen. Mist aber auch.“

Trotz meines Rausches wurde ich ärgerlich. Ich wollte nicht mehr länger bleiben. Die Hälfte der Jungs war schon gegangen, und auch ich wollte mich im Zelt etwas hinlegen. Vielleicht mir nich einen runterholen, aber dann schlafen. Ich nahm eine Abkürzung durch den Wald und hörte ein Geschrei. Ich drehte mich in die Richtung und fragte mich, ob sich jemand verletzt hatte, mein Kopf immer noch benebelt vom Grass. Dann sah ich sie und fühlte nur noch Wut. Es waren die sechs Jungen, die die Party verlassen hatten. Sie lachten, tranken, und zwischen Tom und einem Torwart, der Peter hieß, war Benjamin. Er war barfuß, strauchelte und war absolut panisch. Er trug nur sein beuliges Shirt, darunter eine Unterhose, und der Saum fiel ihm bis zu den Knien wie ein Kleid. ´Man hielt ihn an beiden Armen, und er wurde halb vom Boden gehoben.

„Tom, du verdammter Hurensohn!“
Ich war noch etwas wirr im Kopf.
„Tom, du Motherfucker, was machst du mit ihm?“
Alle lachten. Sie dachten, ich hätte einen Spaß gemacht. Benjamin rief Hilfe suchend meinen Namen. Ich ging Tom an, aber er wehrte mich ab. Er war viel mehr an Haschisch gewöhnt als ich. Zwei Fußballer hielten mich fest. Ich war stärker als Benjamin, und ich kämpfte, aber sie überwältigten mich und drückten mich zu Boden. Tom kniete sich hin und sah mir ins Gesicht. Ich sah Benjamins nackte, schmutzige Füße vor mir baumeln, weil Peter ihn in enger Umarmung hielt.
„Beruhige dich, Richard!“ bellte Tom. Ich schüttelte meinen Kopf, um etwas von dem Nebel aus ihm zu verscheuchen.
„Er ist ein Opfer! Das machen sie hier jedes Jahr. Nie kommt einer zu Schaden.“
Ich konnte sehen, wie Benjamin erbleichte. Er sah ohne Brille irgendwie nackt aus. Ich erinnerte mich daran, dass ein Mädchen schwanger geworden war. Niemand kommt zu Schaden? Was für `ne Scheiße! Aber Tom sprach weiter.
„Wenn jemand hier es verdient, Opfer zu sein, dann ist es dieser Perverse. Weißt du, was wir bei ihm gefunden haben? Er war allein in seinem Zelt und hat gelesen. Und das hier hat er als Lesezeichen benutzt.“
Benjamin begann, sich mit allen Kräften zu wehren. Pater hielt ihm den Mund zu, erstickte seine panischen Schreie.
„Nein, nein, nein…“
Ich starrte auf das Bild vor meinen Augen. Es war ein farbiger Computer-Ausdruck von mir nach einem Fußballspiel. Ich war verschwitzt, das Trikot klebte an mir, und Schweiß lief über mein Gesicht, das einen entschlossenen Ausdruck hatte.
Ich sah Benjamin an, der in Peters Armen zusammen gesunken war. Er hatte seine Augen geschlossen und seinen Kopf von uns abgewendet. Ich war schokiert, aber noch so high, dass ich nichts sagen konnte, als wir zurück in den Ring der Raucher gingen. Ich starrte nur auf das Bild von mir, fühlte mich seltsam errötet und verletzlich.
Man hatte Tom gesagt, es würde kein weibliches Opfer geben. Das ärgerte ihn gewaltig. Benjamin wehrte sich nicht mehr. Er war wie ein Kaninchen umgeben von Schlangen, zitterte, schloss seine Augen, reagierte auf nichts. Mein Kopf begann wieder klar zu werden. Ich wünschte innig, ich hätte alle Sinne bei mir gehabt. Wenn ich schlau gewesen wäre, hätte ich jetzt Hilfe geholt. Ich sah, wie sich Sabine Peter näherte, der Benjamins Handgelenke festhielt.
„Scheiß Perverser“, schimpfte sie. „Du Freak!“
Dann spuckte sie Benjamin ins Gesicht. Das ließ mich Partei ergreifen. Das Bild spielte keine Rolle mehr, sie quälten diesen armen Jungen. Er gab kein anderes Wort für das, was sie taten.
„Du dumme Schlampe“, knurrte ich und fühlte Befriedigung, als ihr dummes Gesicht sich in zornige Falten legte.
„Tom, lass’ ihn gehen. Dieses Jahr gibt es keine Opfer. Das ist krank und blödsinnig! Schau’ ihn an, er bekommt gleich einen Herzanfall“

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das nicht. Tom machte einen Schritt auf mich zu, sein Gesicht wutverzerrt. Er ohrfeigte mich, und meine Reflexe waren noch zu langsam, um ihn abzuwehren. Ich konnte fühlen, wie meine Wange anschwoll.
„Du bist ein selbstgerechtes Arschloch, Richard. Weißt du das? Seit wir hier sind behandelst du uns wie Dreck. Glaubst du, di bist was Besseres?“
Ich sag die Wut und die Kränkung in seinen Augen und fror. Er würde es jetzt verraten, das war mir klar. Als wir vierzehn waren, hatte er versprochen, es niemandem zu sagen. Aber jetzt…
Zuerst versetzte er mir einen Tritt.
„Weißt du was, Richard? Wenn du so scharf auf deinen ´Freund hier bist und dich so um ihn kümmerst, dann kannst du doch auch Opfer sein!“
Einige um uns herum lachten, zu berauscht, um ernsthaft zu sein. Andere sahen etwas ängstlich und durcheinander aus. Und dann sprach es Tom aus:
„Nebenbei, du bist auch schwul. Ich denke, das spielt auch eine Rolle.“

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